Akademische Feier mit Ehrungen, Auszeichnungen, Laudatien, närrischen Vorträgen und gereimten Grußworten
„Die Vorbereitung dieser Rede war für mich eine ziemlich besondere: Wann darf man schon mal für 100 Jahre gratulieren? Wie ist es, hier m Saal zu sprechen, wenn der Anlass mal nicht närrisch, sondern akademisch ist? Eine akademische Feier, das gab es für mich zuletzt beim Abitur und das ist inzwischen bald auch ein Jahrzehnt her. Was für mich schnell klar war, ist, dass die Rede anders sein muss als sonst. Und deshalb muss der ein oder andere jetzt erschrocken feststellen: „Der Patrick kann ja auch ungereimt sprechen!“. Und tatsächlich - ich geb es offen zu - es nimmt mir eine gewisse Sicherheit. Ich liebe das Reimen, ich sehe mich selbst nicht als das größte Improvisationstalent - gerade wenn ich mir mal Kollegen bei anderen Vereinen anschaue, sind ja wie ich sehe auch einige hier vor Ort, dann bin ich auf diejenigen, wo ich schon Sitzungen live erleben durfte, die ihre Sitzungen vor allen Dingen mit einer unglaublichen Spontanität durchmoderieren, richtig neidisch - während ich mit meinem Aktenordner an gereimten Ansagen hier oben auflaufe. Was machen die denn alle im Januar mit ihrer Zeit, während ich daheimsitze und Ansagen schreibe?" - Sehr launig begann die akademische Jubiläumsfeier zum 100-jährigen Bestehen des Winkler Carnevalvereins Narrhalla mit der Laudatio des amtierenden Sitzungspräsidenten Patrick Halbritter.
Neun Sitzungspräsidenten
Über 100 Gäste und Ehrengäste hatten sich unter dem Motto „Ach wie schee - 100 Jahre CVW“ zu dem akademischen Abend in der festlich geschmückten Brentanoscheune eingefunden. Begrüßt wurden sie vom Präsidium des Jubelvereines mit den Vorsitzenden Franz Georg Eger und Danny Scheer an der Spitze. Den historischen Rückblick auf 100 Jahre Narretei beim CVW in Winkel gab es in besonderer Form mit Sitzungspräsident Patrick Halbritter, der die Geschichte des Vereines anhand der Sitzungspräsidenten seit 1924 aufzeichnete: „Den Anfang in der großen Chronik machte „Schambes" Berg als erster Sitzungspräsident und Vorsitzender vom CVW - damals gegründet als Rheinbank-Bund. Nicht nur bei der Gründung, sondern auch bei der Neugründung des Vereins nach dem Krieg war er dabei, und leitete somit die Geschicke des Vereins, aber insbesondere auch die Sitzungen von 1924 bis 1954. Auf „Schambes“ Berg folgte Heinz Kloos als Sitzungspräsident, der mit insgesamt 21 Jahren der bisher längste Präsident seit der Neugründung nach dem Krieg war. Er, so habe ich mir sagen lassen, wäre eine absolute Koryphäe im Reimen und der Spontanität gewesen und hätte bisweilen noch oben im Elferrat mit Zettel und Stift auf die Beiträge reagiert, indem er spontan seine Abmoderation verfasst hat. Die Spontanität ging sogar so weit, dass zu seinen Zeiten wohl noch recht kurzfristig vor den Sitzungen gefragt wurde, wer eigentlich was macht. Sein Nachfolger war dann schon jemand, zu dem ich mich gar nicht groß umhören musste, weil ich ihn gut kenne und auch schon etliche Male in der Bütt' erleben durfte: unser Ehren-Fassenachts-Urgestein Hermann Becker!“. Becker, der noch immer für den CVW aktiv ist und zum Beispiel die witzigen ,,Adel-Titel" für die Prinzenpaare entwirft, war bei der 100-Jahrfeier persönlich vor Ort und wurde mit donnerndem Applaus für sein Engagement rund um den CVW bedacht.
Laudator Halbritter erläuterte, dass auf Hermann Becker ein weiterer großer Name in der Winkler Fassenacht folgte: Jupp Issinger. „Hier habe ich mir sagen lassen, dass mit ihm die Organisation der Sitzungen im Vorfeld stark zugenommen hat, weg vom „Wir haben nächste Woche Sitzung, wer macht was?“ aus Heinz Kloos' Zeiten, hin in die Richtung dessen, was wir heute auch noch praktizieren. Auf der Bühne hingegen hat Jupp Issinger es dann aber gerne mal chaotischer dargestellt als es tatsächlich war, gerne mal seine Zettel verschlampt, klasse improvisiert und so seinen eigenen - beim Winkler Publikum sehr geschätzten - Stil gehabt!“. Jupp Issinger´s Nachfolger war Karl-Heinz Führ, der gerade auch die Nachwuchstalente Patrick Halbritter und seine Schwester Tanja schon als Kleinkinder bei den Kappensitzungen in die Bütt geholt hatte. Zwölf Jahre war er im Amt und habe somit auch mehr als eine Dekade Winkler Fassenacht geprägt. Ebenso wie der Ehrenvorsitzende Dietmar Schneider, dessen „zweifelsfrei großartige Präsidentschaft stets im Schatten seiner unglaublichen 24-jährigen Amtszeit als Vorsitzender des CVW steht!“. „So wie man den Dietmar kennt, war sein Steckenpferd ja immer der Nachwuchs, und so hatte er auch keinerlei Eitelkeiten damit, den Thron im Elferrat wieder freizumachen, für Tobias Jendreizeck. Tobi ist dann tatsächlich auch der erste Präsident, bei dem ich mich erinnern kann, ganze Sitzungen als Kind verfolgt zu haben - unter anderem dann auch als Kinderprinz!“, so Patrick Halbritter und erinnerte auch an die vielen Mottositzungen, die damals von Jendreizeck im Weinstadl geleitet wurden: „Mal im Poncho und mit Sombrero, mal als Pharao verkleidet, war Tobi auf dem Thron nur selten in klassischer Elferrats-Montur und Narrenkappe zu sehen!“. Auf ihn folgte dann Markus Stoll, der unmittelbare Vorgänger von Halbritter, der sein Präsidentenamt im CVW stolze neun Jahre ausgeübt hatte und auch als Schirmherr des 100jährigen CVW-Jubiläums fungiert.
Umfangreiche Historie
„Die Geschichte vom CVW ist wirklich so umfangreich, und größtenteils auch wirklich extrem gut archiviert, sodass man hier auf der Bühne gar nicht alles präsentieren kann.“, erklärte der aktuelle Sitzungspräsident und verwies auch auf die große Ausstellung mit Fotos, Videos, historischen Orden, Narrenkappen und Utensilien aus 100 Jahren Vereinsgeschichte, die im Foyer der Brentanoscheune ausgestellt waren. Und auch im Laufe des abendlichen Programms zeigten die aktiven Gastgeber, Ehrengäste und närrische Einlagen, wie großartig die Geschichte des CVW seit 100 Jahren ist.
So sorgten auch die nächsten Narren auf der Bühne, die CVW-Böbbscher mit Sitzungspräsidentin Lena Furk als temperamentvolle Laudatorin schon für besondere Furore: Mit einer närrischen Brandrede zur Historie der Damenfastnacht in Winkel mischte sie den ganzen Saal mit Ehrengästen, Vereinskollegen aus befreundeten Carnevalsvereinen und Kommunalpolitikern gleich ordentlich auf und machte ganz klar, dass bei den Böbbscher des CVW der Bär steppt.
Närrische Vorträge
Und auch der musikalische Vortrag des legendären Musikduos „Dobbelbock" war ein besonders närrischer Höhepunkt der akademischen Feier: Die Brüder Andreas und Matthias Bockius treten vor allem in der Mainzer Fastnacht als Duo „Dobbelbock“ auf und wurden gerade zum dritten Mal in Folge auch Gewinner des „Stehung Vision Songcontest“. Dabei ist Matthias Bockius nicht nur ein gestandener Fastnachter, sondern auch Pressesprecher der Mainzer Polizei, während sein Bruder Andreas Bockius beim 1. FSV Mainz 05 als Stadionsprecher auch schon mal größeres Publikum aufmischt. In Winkel sorgte „Dobbelbock“ auf jeden Fall für gute Laune beim CVW.
Ebenso wie die karnevalistischen Einlagen weiterer Mainzer Fastnachtsgrößen: Adi Guckelsberger, in Mainz und darüber hinaus als närrischer „Nachtwächter“ bekannt und eine echte Marke in der Mainzer Fassenacht, punktete auch beim Rheingauer Publikum mit seinem Vortrag „Hört, ihr Leut', und lasst euch sagen" und den berühmten gereimten Gags, bei denen das Publikum bis zur Pointe mitmachen darf. Und auch Thomas Rau in seiner Paraderolle als „Olga Orange" sorgte beim großen Jubiläumsabend für besonders närrische Akzente: Der Mann aus der Wetterau, der seit mehr als drei Jahrzehnten in Frankfurt lebt, ist als Frau sehr gefragt. Seine Figur Olga Orange gibt es seit schon seit rund einem Vierteljahrhundert, sie ist bei „Rosa Wölkchen" im Fernsehen zu sehen, steht vielfach in Mainz beim Karneval auf der Bühne und geht auf das Offenbacher „Café Orange“ zurück.
Humorvolles Grußwort in Reimform
Es folgten eine Reihe Grußworte, vom Schirmherrn des Jubiläums, Markus Stoll, dem Bundestagsabgeordneten Klaus-Peter Willsch in Vertretung für den Landrat, dem Landtagsabgeordneten Ingo Schon und Zugmarschall Björn Sommer. Bürgermeister Garsten Sinß hatte sein Grußwort passend und sehr humorvoll in Reimform präsentiert: „Ich wog hin und her die Gedanken und war lange mit mir am schwanken. Doch schließlich entschied ich, trotz akademischer Feier, mit einem Lächeln im Gesicht, bei 100 Jahren Carnevalsverein: Ein bisschen Versmaß, das schadet auch für einen Bürgermeister nicht! So stehe ich hier, mit Reimen zum Jubiläum bereit und hoffe, sie bringen ein wenig Heiterkeit. Denn heut' feiern wir, was Freude bringt, vor 100 Jahren unseren Carnevalsverein Narrhalla der Taufe entspringt. Ein Jahrhundert voller Freude, bunt, fröhlich und laut, wo Gemeinschaft blüht und jeder stolz zurückschaut. So ein Jubiläum schärft ja bekanntlich den Blick, wir schaun daher heut nach vorn - aber auch zurück. Mit Masken, Tänzen und frohem Gesang schuft Ihr Erinnerungen, die noch bleiben lang. Von Umzügen, die die Stadt erhellen bis hin zu den Sitzungen, die uns Geschichten erzählen, ob Kinder- oder Seniorensitzung, Böbbscher oder Herren, alles kann, 100 Jahre CVW, mannoman.
Manch Luftschloss von uns Politikern gebaut, ham die Redner hier schon in de Bütt zerhaut. Denn der Obrigkeit aufs Maul schauen, wenn's sein muss auch mit nem Knall, das war schon immer erlaubt an Carneval und hier in de Narrhall! Manchmal kommt Wehmut auf ganz leisen Sohlen, vielleicht nochmal die Vergangenheit zurückzuholen? Doch das geht nicht, wie Ihr ja alle wisst, weil es halt einfach nicht zu ändern ist. Deshalb schaun wir bei so einem Anlass lieber nach vorn, die nächste Kampagne ist schließlich schon geborn. Die Wochen jetzt vor Karneval, sie sind voller Leben, ihr plant, ihr probt, echte Vorfreude eben. Mein Wort geht an die Helfer hier im Verein, die unermüdlich schaffen, die mit Fleiß und Geduld all die Fäden straffen. Euch, egal ob in de Bütt oder im Hintergrund, gebührt unser Dank, ihr, die ihr mit Fleiß alles möglich macht, seid ne sichere Bank. Ein Hoch auf die Mitglieder, die hier zusammen stehn, ohne euch wäre Carneval nur halb so schön. Traditionen wie diese gilt es deshalb zu hegen und pflegen, denn sie sind das Fundament, auf dem wir leben. Doch ich weiß von warme Worte könnt Ihr Euch nix kaufe, deshalb soll auf Euerm Konto auch noch was einlaufe. Diese Spende, die ich heute hier werd' überreichen, soll helfen, auch die nächsten hundert Jahr zu erreichen. Der Dank dafür gilt uns allen hier im Saal, denn es ist ausm Stadtsäcke!, den ihr alle füllt und aus dem ichs trotz Haushaltssperre stahl. Auf viele weitere Kampagnen, die uns Freude bringen, bei denen wir gemeinsam feiern und fröhlich singen. Möge der CVW auch in den nächsten Jahren blühen in Farben so bunt, um in hundert Jahren wieder zusammen zu kommen, das wär doch en Grund! Heute erheben wir das Glas, voll Freude und Mut, für all die Jahre, die waren so gut. Auf den Carnevalsverein Narrhalla ein. Hoch und Applaus! Herzlichen Glückwunsch! Kommt, lasst uns den CVW feiern hier im Haus!“.
Ehrungen und Auszeichnungen
Und auch eine Reihe hoher Auszeichnungen und Ehrungen standen im Mittelpunkt des Abends: Die Interessensgemeinschaft mittelrheinischer Karneval, vertreten durch den Bezirksvorsitzenden Roland Grundmann von den „Roten Husaren Mainz“, verlieh ihr Ehrenzeichen in Silber an Patrick Halbritter, Franz Georg Eger, Markus Stoll und Björn Sommer.
Das goldene Ehrenzeichen der Interessensgemeinschaft mittelrheinischer Karneval durften Dietmar Schneider und Harald lmmerheiser entgegennehmen.
Eine weitere hohe Auszeichnung sprach auch der Jubiläumsverein aus und ernannte Michael Schäfer zum Ehrenmitglied des CVW. Außerdem war die akademische Feier der richtige Rahmen für das Überreichen der Jubiläums-Halsorden an alle Ehrenmitglieder, den Vorstand und das Präsidium.